Ein weiterer Grund für die viel zu selten erkannte Diagnose FASD liegt in der Tatsache, dass ein eindeutiger Biomarker – wie zum Beispiel das dritte Chromosom 21 beim Down Syndrom – fehlt. Zudem wirkt sich auch das Tabu Alkohol diagnosehemmend aus.
Und dennoch ist sie in ihren Ausmaßen und Auswirkungen auf die Betroffenen und ihre Begleitenden weitestgehend unbekannt.
Die Wissenschaft geht von ca. 2% der Gesamtbevölkerung aus, die durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft geschädigt sind. Die Dunkelziffer liegt wohl noch deutlich darüber. FASD gilt als deutlich unterdiagnostiziert, da die Folgen eine große Ähnlichkeit zu anderen Störungsbildern haben kann – wie zum Beispiel ADHS, Autismusspektrumstörung, Borderline, Bi-Polarität, Posttraumatische Belastungsstörung u.ä.
Das Thema Alkohol und seine negativen Folgen ist ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft. Alkoholkonsum „bringt Spaß, Geselligkeit und Entspannung“, ist im Alltag überall präsent und auch gefordert.
Alkoholsucht und andere negative Folgen, wie eben die Schädigung des Kindes durch Alkoholkonsum der werdenden Mutter, werden ignoriert, verharmlost und die Symptome der Menschen mit FASD nicht gesehen und fehlinterpretiert.
Bei FASD handelt es sich – wie der Name schon sagt, um eine Spektrum-Behinderung. Die Auswirkungen des Alkohols auf den reifenden Embryo hängen von unzähligen Faktoren ab. Ebenso unzählig sind die möglichen Folgen und Ausprägungen der Schädigung für die einzelne Person.
Hier gilt der Merksatz: Kennst du eine*n, kennst du alle… eine*n!
Häufig wird davon ausgegangen, dass die Menschen mit FASD anhand äußerer Merkmale zu erkennen wären. Solche Merkmale können auch Folge der Wirkung des Alkohols auf das reifenden Kind sein. Sie treten aber nur bei einem Bruchteil der Menschen mit FASD auf und können auch dann so moderat sein, dass nur erfahrene Menschen dies erkennen können.
Diese Unsichtbarkeit der Behinderung stellt das größte Hindernis und die stärkste Belastung für die Menschen mit FASD und ihr Umfeld dar. Behinderungsbedingte Verhaltensstörungen, schulische Probleme, Schwierigkeiten im sozialen Umgang, Probleme in der Alltagsplanung werden nicht selten als Faulheit der Betroffenen oder als Erziehungsfehler der Eltern wahrgenommen und entsprechend gesellschaftlich sanktioniert.
FASD ist unsichtbar und in erster Linie eine hirnorganische Behinderung, die vielfältige Herausforderungen für die Menschen mit FASD und auch für ihr Umfeld nach sich ziehen können. Ihre Neurodiversität wird oft nicht erkannt und auch nicht entsprechend ernst genommen. Nicht zuletzt auch, weil Intelligenzminderungen vorkommen können, aber bei weitem seltener sind, als angenommen. Die Probleme liegen in der Umsetzung der vorhandenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Menschen mit FASD scheitern oft nicht an mangelnden kognitiven Fähigkeiten, sondern daran, dass ein neurodiverses Gehirn in einer neurotypischen Welt immer wieder an Grenzen der Überlastung und Überforderung stößt…
Die Störungen im Alltag ergeben sich durch die Probleme mit der Handlungsplanung; dem gestörten Erfahrungslernen; die Vergesslichkeit; die Tatsache, Regeln zu kennen, diese aber nicht in die eigene Handlung integrieren zu können; durch mangelnde Gefahreneinschätzung und einer gestörten Impulssteuerung.
All diese Hürden und Hindernisse müssen Menschen mit FASD nicht daran hindern, ein glückliches und von Teilhabe geprägtes Leben führen zu können.
Auch bei uns – im Reit- und Fahrverein Wendland gibt es Menschen mit FASD. Sie sind mitten drin, mit Leidenschaft dabei, erfolgreich und glücklich.
Ganz nach dem Motto: FASD – wir schaffen viel. Aber anders!
Es ist an uns, diese Hürden und Hindernisse zu entschärfen und die Menschen mit FASD nicht an gesellschaftlichen Umständen scheitern zu lassen. In einer förderlichen Entwicklungsumwelt, mit den nötigen Schonräumen und Unterstützungen, können sie alle ihre unschätzbaren Fähigkeiten und Kompetenzen zeigen und weiterentwickeln.
zurück...
|